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Aramis

ist der erste Kandidat, über den ich erzähle. Er "geistert" hier mehrfach auf den Internetseiten herum... Er wohnt in Hnanice, im Böhmischen Paradies Tschechiens.
Also, meine allererste Reitstunde verbrachte ich auf ihm. Und wie war ich froh, als die wieder vorbei war, ohne daß ich heruntergefallen war! Und alles tat mir weh...
Was mich damals aber beeindruckt hatte, war seine Geduld mit der er mich eine Stunde lang auf seinem Rücken (er)trug. Eigentlich hatte er das doch als größeres und viel stärkeres Lebewesen gar nicht nötig? Und doch tat er es willig. Deshalb ging ich nach ein paar Wochen wieder hin; und später wieder.
Damals war er 15 Jahre alt, ein "Halbblut" (Vater war Vollblut).
Unterdessen fing ich an, auch zu Hause Reiten zu lernen. Dadurch klappte es beim nächsten Mal auf Aramis schon besser, so daß man die Longe entfernte und mich allein auf dem Platz loslies. Allerdings passierte nicht mehr viel, nachdem die Longe ab war: Es gibt vermutlich kein langsameres Pferd, als Aramis. Außerdem ist er Weltmeister im Abkürzen. Aramis war lange Zeit nie in der Nähe einer Ecke des Reitplatzes - jedenfalls nicht mit mir. Je mehr ich selbständiger reiten lernte, desto mehr hatte ich meine Probleme auf ihm. Aber ich wollte kein anderes Pferd, wenn wir in Tschechien waren. Schließlich war er mein erstes Pferd! Außerdem mögen wir beide uns! Er behandelte mich (wenn ich nicht auf seinem Rücken saß) fast von Anfang an besonders nett. Das war weniger mir, sondern mehr den anderen dort aufgefallen.
Außerdem war er über die Maßen beleidigt, wenn ich an einem letzten Tag vor meiner Heimreise auf einem anderen Pferd ritt. (Die Reitlehrerin wollte mir hin und wieder ein Erfolgserlebnis auf einem anderen Pferd verschaffen.) An anderen Tagen tolerierte er das 'mal. Nicht am letzten Tag! Dann konnte es eine Stunde dauern, bis ich mich wieder bei ihm "eingekratzt" hatte. Nun tue ich soetwas grundsätzlich nicht mehr. So ein Abschied ist ja so jedesmal schon schwer genug.
Also ritt ich dort von nun an ein Pferd, das mich maßlos überforderte. Aber ich wollte es ja so. Sporen lehnte ich auch ab, um ihm nicht weh zu tun. (Er wird sonst von den selbständigeren Reitern immer mit Sporen geritten.) Die Gerte benutzte ich nicht, weil ich dachte, daß meine Reiterhilfen noch so unsicher sind, daß mir der Gerteneinsatz nicht "zusteht". So galoppierten meine Tochter und ihre Freundin frei, während ich in Hnanice immer an die Longe mußte, da ich auf Aramis nicht einmal im Trab einen Zirkel reiten konnte. Daraus machte er nämlich sofort von sich aus die Bahnfigur "Zirkel ganz schnell und extrem verkleinern".

Der "Durchbruch"

Wenn ich versuchte, mehr aus ihm "herauszuholen", konnte es mir passieren, daß er entgültig stehen blieb. Einmal mußte ihn sogar die Reitlehrerin während des Reitunterrichts korrekturreiten, weil gar nichts mehr ging. Da half dann schon nur noch sehr starkes Treiben ihrerseits. Mir tat allein das Zusehen weh. Ihn, Aramis juckte das scheinbar gar nicht.
Eines Tages blieb er wieder mitten in der Reitbahn mit mir stehen. Diesmal setzte ich endlich die Gerte, die ich in jeder Reitstunde in meiner Hand trug, ein. Sicher nicht schmerzhaft, aber deutlich. Oh, das kannte er von mir nicht! Er ging hinten hoch, ich wiederholte sofort den Gerteneinsatz. Währenddessen trieb ich so stark ich konnte. Als ich fast nicht mehr konnte, setzte er sich langsam und widerwillig in Bewegung. Alles an ihm wollte mir sagen: "Also recht ist es mir nicht! Aber ich geh' dann 'mal." Ich gab sofort nach (ich hätte ohnehin nicht mehr gekonnt). Und - unglaublich - der Rest der Reitstunde war herrlich: Wir sind im Trab und im Galopp zum ersten Mal selbständig auf einem völlig runden Zirkel geritten!
Am nächsten Tag beeilte er sich sehr, um das Stallgebäude herum auf den Reitplatz zu gehen. Kaum waren wir dort angekommen, blieb er stehen. Er wollte wissen, ob das am Vortage nur eine Ausnahme war, oder ob das Gleiche heute wieder passieren würde! Es passierte das Gleiche, mit dem Unterschied, daß er viel früher einlenkte und losging. Am übernächsten Tag das gleiche Spiel, mit noch weniger Krafteinsatz. Bereits in diesen Tagen haben Aramis und ich zusammen mehrmals die Ecken des Reitplatzes besucht!
Seitdem hat sich vieles verbessert, trotzdem muß ich ihn mit noch zuviel Kraftaufwand reiten. Aber Sporen möchte ich nicht verwenden - ich versuche es weiter mit Lernen und Geduld. Heute benutze ich übrigens überhaupt keine Gerte mehr.
Ach ja: Auch in der Reitbahn verwende ich viel Lob. Seitdem haben wir nochmals große Fortschritte gemacht. Vor allem in Bezug auf Leichtigkeit beim Reiten. Bald sind wir bestimmt auch beim Reiten ein ideales Paar!

Was habe ich bei Aramis gelernt?

Vor allem, daß der Umgang mit Pferden sehr schön sein kann. Aber auch, daß es nicht immer nur mit "Sanftheit" und Nettigkeiten geht. Manchmal muß man sich tatsächlich (überlegt!) beim Pferd durchsetzen. Man darf nämlich nicht vergessen, daß das Pferd auch von mir erwartet, daß ich mich am Gestalten der Rangordnung beteilige. Tue ich das nicht, legt es die Rangordnung allein fest. Das kann beim Reiten offensichtlich eine andere sein, als auf dem Boden! Zögere ich das lange hinaus, muß ich später eine Rangordnung ändern, an die das Pferd lange gewöhnt ist. Das ist dann schwieriger.
Übrigens hatte mein Loben und Streicheln während des Reitens vor unserer "Auseinandersetzung" kaum etwas bewirkt. Jetzt, nachdem Aramis mich offensichtlich auch beim Reiten als "von etwas höherem Rang" akzeptiert, hat mein Lob wohl mehr Gewicht.

Auf den Gerteneinsatz bin ich nicht gerade stolz. Vermeiden hätte ich das nur gekonnt, wenn ich von Anfang an mit mehr Bestimmtheit meine Vorstellungen bei Aramis durchgesetzt hätte. Leider war ich damals noch längst nicht soweit.